Donnerstag, März 16, 2006

Abschiedsbrief

Ach, Anna. Mir fallen nach und nach so viele kleine Details ein die mir aufeinmal so unheimlich wichtig werden. Ich hĂśre gerade unseren Sommersturm aus den Vier Jahreszeiten und muss daran denken, wie wir zur Vanessa Mae Version mit runtergekurbelten Scheiben in einem Affentempo die Alpen rauf und runter gebrettert sind. Immer wieder, bis nach Indemini in Italien und wieer zurĂźck. Wie haben am StraĂŸenrand die Beine den Berg runterbaumeln lassen, hinter uns dein Auto mit offener TĂźr, damit wir die Musik hĂśren konnten und wir haben stundenlang in der sonne gesessen und dieses unbewohnte Tal angeschaut. Und es fiel kein einziger negativer Gedanke in der Zeit. Da hatten wir wirklich Frieden. Erstaunlich, wieviel so ein Moment im Nachhinein bedeuten kann, nicht wahr? Und dann die RĂźckfahrt. "Wo gehts da lang?" - "Keine Ahnung!" Und it quietschenden Reifen sind wir gewendet und haben jeden noch so kleinen Feldweg abgefahren und so wunderschĂśne Orte entdeckt, dass es wie ein Traum war. Haben aus dem Schiebedach heraus Fotos geschossen, von wasserfällen und in den Berg gemeiĂŸelten Stufen, von unserem ganz persĂśnlichen Zauberwald. Du hast mich an diesem Abend dein Reisetagebuch lesen lassen und ich glaube, ich habe die noch nie so gut verstanden, wie in diesem Augenblick.

Die endlosen "Wer bin ich?" Spiele an den Abenden fallen mir auch immer wieder ein. Ich war die Oetker EntfĂźhrung und dieser komische einäugige Roboter. Und der groĂŸartige Witz:

Lena (mit einer 13 auf der Stirn): "Bin ich real?"

Ich: "Man kĂśnnte sogar sagen, du bist reell!"

Lena: "Oh, ich bin eine Zahl, die 13 vielleicht?"

Danach mussten wir den ganzen Abend darĂźber lachen, dass Lena sofort an die 13 dachte. Oder die Runde, in der sie des Pudels Kern war. Und dann, als Andra mit dem Schild "alaska" auf der Stirn fragte: "Bin ich grĂśĂŸer als ein Haus?" - "Ja, definitiv!" - "Braucht man mich?" - "Ă–hm also... genau genommen..." Und jede Runde fragte Lena, ob sie die Schrankwand sei. Bis auf die Runde, in der sie die Schrankwand war.

Und dann unser Grill-Abend. Auf der Dachterasse mit den Jungs zusammen haben wir kiloweise Fleisch verpuzt, dass uns in Italien gar nicht viel gekostet hat. Wir haben uns Ăźber den ĂźberfĂźllten Markt gedrängt und sind in der besten Eisdiele am ganzen Lago Maggiore gewesen. Und Nachts haben wir drauĂŸen auf dem Dach geschlafen. Morgens wurde es zwar wahnsinnig heiĂŸ aber das war wohl die lustigste Nacht ever. Und dann der Abend bei dir in MĂźnchen, bevor es weiter nach Hamburg ging. Du hast mir so enorm viele BĂźcher ausgeliehen, und sie stehen immer noch in meinem Schrank. Ich werde wohl deine Mutter fragen, ob sie sie haben will. Irgendwie sind sie die letzte Verbindung zu dir. Sie und diese letzte SMS vor ein paar Wochen. Ich habe sie immer noch auf meinem Handy. Und ich denke nicht, dass ich sie lĂśschen kann.

Ach, gerade muss ich daran denken, wie ich dich zum letzten Mal gesehen habe. Das war am 28. Dezember. Du hattest noch nie Weihnachten gefeiert und warst bei mir und meinen Eltern zu Besuch. Es war so ein schĂśnes Fest. Der Gottesdienst am 25. Dezember morgens, der Baum als einzige Lichtquelle am Samstag Abend und daneben hat mein Bruder auf seiner Tube ale Weihnachtslieder die er konnte gespielt. Und meine Mutter saĂŸ am Klavier während wir beide zweistimmig mitgesungen haben. Und die Sudokus, massenweise haben wir sie gelĂśst.

Oh, und mir fällt gerade das FrĂźhstĂźck bei Julianes Oma ein. Ich glaube Ena war auch da, und Lena, nicht wahr? Wir waren bei Andere Welten und haben uns sinnloses und viel zu teures Star Trek Merchandise angeschaut und gekauft und Ăźber die Vorteile der zweiteiligen Enterprise Uniform im Vergleich zum Overall aus den ersten Staffeln philosophiert. Und lecker gefrĂźhstĂźckt, mit viel zu vielen BrĂśtchen und massig Belag. Das war genau einen Tag, bevor ich meine Ausbildung begonnen habe. An einem Dienstag, den 31. August 2004. Tja, sowas bleibt im Gedächniss, nicht wahr? Das war ein wunderbarer Tag. genau das Richtige nach dem verkorksten Sommer. Dem Sommer, in dem du trotz allem was da hintenrum gelaufen ist immer zu mir gehalten hast. Man bedenke die Dummen und wirklich fiesen GerĂźchte, die da Ăźber uns im Umlauf waren nach dem Wochenende auf dem UT. Und der ganzen Geschichte mit Mr. Breit. Ich glaube ich habe ziemlich direkt nach der Trennung mit dir gesprochen und du hast erstens dafĂźr gesorgt, dass ich einen erstaunlich tollen Samstag Abend verbrachte (vorallem dann, wenn man bedenkt das ein Zimmer weiter mein frischer Ex-Freund mit seiner Neuen die Nacht verbrachte) und mir dir Wochen danach so viel gegeben. Als die ganze Geschichte ausuferte hast du ihm die Meinung gesagt, viel mit mir gesprochen und mich so viel weiter gebracht. Es ist eigentlich so viel gewesen, was wir zusammen erlebt und getan haben und denoch scheint es mir im Augenblick zu wenig. nicht genug, um nun ohne dich weiter zu machen. Wir haben uns nicht jeden Tag gesprochen, nicht mel mehr jede Woche, aber du warst nie aus der Welt, immer nur einen Knopfdruck auf meinem Handy entfernt, oder einen Mausklick im ICQ oder im Forum. Hergott, auch eine Fahrt MĂźnchen-Hamburg war nicht viel. Du hattest einen festen Platz in meinem Leben. Und der ist jetzt so leer, dass ich es kaum glauben kann. Der Platz ist nämlich immer noch da, weiĂŸt du? Auch wenn du weg bist wird es immer dein Platz bleiben. Immer.

Du warst so fest davon Ăźberzeugt, dass nach dem Tod rein gar nichts mehr kommen wird. Dass es einfach nur dunkeles Nichts sein wird. Das Alles ein Ende hat. Aber ich hoffe bei Gott, dass du unrecht hattest! Nein, ich bin mir sicher, ich weiĂŸ, dass du Unrecht hattest! Denn wenn ich dich nicht irgendwan wiedersehen kĂśnnte, wozu dann das Ganze? Wo auch immer du jetzt sein magst, ich hoffe so sehr, dass es dir jetzt gut geht und du nie wieder leiden musst. Und nicht alles schwarz ist um dich herum sondern hell und freundlich und schĂśn und gut und, und, und... Das du an einem Ort bist, denn man getrost Himmel nennen kann. Und das ich dich dort irgendwann wiedertreffe, damit ich dir all das hier persĂśnlich sagen kann. Vielleicht weiĂŸt dus dann schon, aber ich werde es dir trotzdem sagen. Ich habs die nicht oft genug gesagt, als du noch da warst, wie wichtig du mir warst und bist. Es hätte wahrscheinlich nichts geändert, aber ich hätte es trotzdem Ăśfter sagen kĂśnnen. Ich hoffe, dass du es trotzdem gewusst hast. Du warst so ein unheimlich toller Mensch. Offen, herzlich, in vielen Dingen so unkompliziert und dennoch komplex. Du hast fast immer gute Laune verbreitet und alle Hindernisse mit Humor genommen. Du wusstest genau was du willst und bist immer geradlinig darauf zugegangen. Ich kann mir nicht mal Ansatzweise vorstellen, was dich in den letzten Wochen oder Monaten so tief getroffen hat. Ich werde es wohl auch nie erfahren, aber ich hoffe so inständig, dass es dir jetzt besser geht als hier. Wir hatten eine schĂśne Zeit, und dafĂźr danke ich dir. Und mir bleibt nichts anderes Ăźbrig als Lebwohl zu sagen. Machs gut. Vielleicht werde ich irgendwann wieder einmal fĂźhlen, dass du an mich denkst, wie es schon so oft passiert ist. Wie dieser Moment als ich vondir geträumt hatte, aufwachte und mein Telefon klingelte. Du warst am Aperat, weil du nur mal kurz meine Stimme hĂśren wolltest. So oft sind solche Dinge in beide Richtungen passiert, dass wir uns immer nahe waren. Ich bin mir sicher, wenn ich hier an dich denke wirst du es fĂźhlen! Ich hab dich lieb. FĂźr immer.


Wie wird man seinen Schatten los?
Wie sagt man seinem Schicksal Nein?
Wie kriecht man aus der eignen Haut?
Wie kann man je ein andrer sein?
Wen soll man fragen,
wenn man sich selber nicht versteht?
Wie kann man frei sein,
wenn man seinem eignen Schatten nie entgeht?

Angst, die mir den Atem raubt,
Blei auf meinen Schultern,
Schweigen, das mir Fragen stellt,
und keine Antwort gibt auf mein Warum.
Unsichtbare Blicke,
an denen ich ersticke.
Der Schatten der mir folgt -
ich glaub, eine Tages erreicht er mich.

Wie wird man seinen Schatten los?
Wie lässt man alles hinter sich?
Wie jagt man sein Gewissen fort?
Wie flieht man vor dem eignen Ich?
Wie kann man flĂźchten,
wenn man sich selbst im Wege steht?
Wie kann man frei sein,
wenn man seinem eignen Schatten nie entgeht?

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